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STERNENHIMMEL
Alle Menschen teilen denselben Sternenhimmel, doch sehen sie ihn ganz unterschiedlich.
Eine Sternenkonstellation, die für die San-Buschleute in Afrika einen den Vogel Strauß darstellt, ist für die Aborigines in Australien ein Emu. Der österreichische Künstler Oswald Auer vergleicht diese divergierenden Wahrnehmungen mit einer Art Rorschach-Test: „Der Nachthimmel ist wie eine Matrize, in die sich das kulturelle Bewusstsein eingräbt und die von Epoche zu Epoche und von Kultur zu Kultur variiert.“ In seinen Radierungen hält der 1970 im italienischen Bruneck/Brunico geborene Künstler, der u.a. mit dem Georg-Eisler-Preis und dem Theodor-Körner-Preis ausgezeichnet wurde, den Sternenhimmel fest.
Um einen markanten Farbeindruck zu erzielen, verwendet er eine aufwändige Technik, die ihm erlaubt, mechanisch direkt auf der Metallplatte zu arbeiten. „Das ist ein sehr langsamer, wenn man will: entschleunigter Prozess“, erklärt Auer. „Aber ein Bild ist immer ein Ort, an dem die Zeit stillsteht“. Durch Aufrauhung der Druckstockoberfläche erzeugt Oswald einen haptisch anmutenden Farbeindruck, eine „Impression, wie bei einem Stück Samtstoff“. Beeinflusst habe ihn vor allem ein Gedicht von Majakowski, in dem der Dichter die Sterne mit von Lanzen in den Himmel gestochenen Löchern vergleicht, durch die das Licht flutet. So resultieren auch die Tupfen auf Oswalds Bildern, die das Sternbild darstellen, aus Löchern, die er durch die Platte gebohrt hat. Das weiße Papier, auf dem das Bild gedruckt ist, scheint an diesen Punkten durch, und der Raum, der das Bild umgibt, gibt diesem Ordnung und Sinn.